Geschlechtsspezifisches Lohngefälle bei Influencer-Kollaborationen bleibt branchenweites Problem

Ein aktueller Bericht der Plattform Collabstr beleuchtet erneut die strukturelle Ungleichheit im Bereich der bezahlten Influencer-Kollaborationen. Auf Basis von über 15.000 analysierten Kooperationen zeigt sich, dass männlich identifizierte Creator durchschnittlich 40 % mehr pro Zusammenarbeit verdienen als ihre weiblichen Kolleginnen. Besonders deutlich fällt diese Differenz im Gaming-Sektor aus, wo sich laut einer separaten Auswertung die Lücke auf rund 32 % beläuft.

Überangebot trifft auf Preisverfall

Die Grundlage für das Ungleichgewicht bildet unter anderem die ungleiche Verteilung der Geschlechter im Influencer-Markt: Rund 72 % aller Influencer identifizieren sich als weiblich, wobei Plattformen wie TikTok und Instagram mit einem Anteil von 78 % weiblicher Creator besonders auffallen. Der daraus resultierende Wettbewerbsdruck führt zu einem verstärkten Preisverfall, insbesondere im Mikro-Influencer-Segment mit unter 10.000 Followern.

Dem gegenüber steht ein vergleichsweise geringerer Anteil männlicher Creator, die häufiger in spezialisierten Nischen wie Gaming, Technik oder Unternehmertum aktiv sind. Diese inhaltliche Fokussierung ermöglicht höhere Preisforderungen und eine stärkere Marktpositionierung.

Influencer - Marketing Report - Collabstr
Influencer – Marketing Report – Collabstr

Wahrnehmung und Begrifflichkeiten beeinflussen Vergütung

Ein weiterer Aspekt ist die unterschiedliche Selbst- und Fremdwahrnehmung innerhalb der Branche. Während männliche Akteure sich häufiger als „Content Creator“ positionieren, werden weibliche Creator stärker mit dem Begriff „Influencerin“ assoziiert. Diese semantische Differenzierung ist nicht nur sprachlich, sondern auch wirtschaftlich relevant: Der Begriff „Content Creator“ wird mit aktiver, produktionsorientierter Arbeit in Verbindung gebracht und scheint in der Praxis mit höherer Wertschätzung und besseren Vergütungssätzen verknüpft zu sein.

Plattformen und Preisstruktur im Vergleich

Die Auswertung zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Plattformen. Während YouTube mit einem durchschnittlichen Honorar von über 675 US-Dollar pro Kooperation an der Spitze steht, liegt Twitch – eine zentrale Plattform im Gaming-Influencer-Markt – mit 237 US-Dollar deutlich darunter. Der tatsächliche Betrag, den Marken im Schnitt zahlen, liegt auf Twitch sogar nur bei 118 US-Dollar, was auf einen hohen Verhandlungsspielraum und sinkende Zahlungsbereitschaft seitens der Unternehmen schließen lässt.

PlattformDurchschnittlicher Preis (Creator)Durchschnittlicher Preis (Marke)
YouTube$675,23$418,09
Instagram$363,64$212,21
TikTok$350,06$200,22
Twitch$237,72$118,93
User Generated Content (UGC)$198,06$177,68

Ursachenkomplex: Angebot, Nischen und Wertzuschreibung

Die Ursachen für das beobachtete Lohngefälle sind vielfältig. Neben dem Überangebot weiblicher Creator wirken auch inhaltliche Unterschiede: Weibliche Akteure setzen häufiger auf Cross-Over-Inhalte wie Mode, Vlogs oder Beauty, während Männer sich vermehrt auf thematische Nischen wie Gaming oder Technologie fokussieren. Diese Spezialisierung führt laut Collabstr zu einem höheren Marktwert männlicher Creator, insbesondere wenn sie sich innerhalb wachstumsstarker Segmente positionieren.

Obwohl Plattformen wie YouTube eine ausgewogenere Geschlechterverteilung zeigen (65 % weiblich, 35 % männlich), bleibt die strukturelle Lohnungleichheit bestehen. Der Collabstr-Report deutet darauf hin, dass eine professionellere Selbstdarstellung, klare Preisstrukturen und strategische Nischenwahl potenzielle Ansatzpunkte für mehr Gleichstellung darstellen könnten.

Gleichzeitig liegt es auch an Marken und Agenturen, Bewertungsmaßstäbe neu zu definieren und Kollaborationen unabhängig von Geschlecht zu bewerten, etwa durch transparente Honorarmodelle und algorithmisch unterstützte Marktplatzstrukturen.

Die aktuelle Marktsituation im Influencer-Bereich offenbart ein nach wie vor signifikantes geschlechtsspezifisches Lohngefälle, das sich durch Plattform-, Angebots- und Wahrnehmungsmechanismen manifestiert. Trotz der hohen Anzahl weiblicher Influencer zeigt sich, dass männliche Creator strukturell besser entlohnt werden, insbesondere in spezialisierten Content-Nischen. Für eine nachhaltige Gleichstellung sind gezielte Marktanpassungen und ein differenziertes Verständnis von Content-Wert notwendig.

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