Microsoft öffnet Game-Publishing-Dokumentation weiter: Onboarding, Zertifizierung, Rabattsteuerung und Accessibility im Fokus

Microsoft hat die öffentlich zugängliche Game-Publishing-Dokumentation für Xbox-Konsolen und Xbox auf PC deutlich ausgebaut. Kern ist der Game Publishing Guide (GPG), der den Weg von der ersten Produktanlage im Partner Center über Zertifizierung und Store-Konfiguration bis zur Veröffentlichung beschreibt.

GDK-spezifische Inhalte, detaillierte Publishing-Programme und Teile der Advanced-Publishing-Dokumentation bleiben allerdings weiterhin an registrierte Entwicklerprogramme und NDA gebunden.

Öffentliche Game-Publishing-Dokumentation als Rahmen

Der Game Publishing Guide richtet sich an Creator, die bei Microsoft für Xbox-Entwicklung und -Publishing registriert sind, einschließlich ID@Xbox. Er bündelt alle game-spezifischen Anleitungen, die für das Arbeiten mit dem Partner Center und die Veröffentlichung im Microsoft Store relevant sind.

Die Übersichtsseite Game publishing documentation gliedert den Stoff in mehrere Bereiche:

Damit entsteht ein öffentlich einsehbarer Rahmen, der die interne GDK-Dokumentation ergänzt, ohne sie zu ersetzen. Insbesondere GDK-APIs, detaillierte Requirements und kuratierte Programme bleiben nur nach Autorisierung zugänglich.

Zertifizierung, Konsolentests und Cert Bypass

Die Zertifizierungsdokumentation stellt klar, dass alle Produkte, die Xbox-Dienste integrieren, vor Veröffentlichung einen Zertifizierungsprozess durchlaufen müssen. Getestet werden u. a. Stabilität, Einhaltung der Xbox Requirements (XRs), Sicherheit und ein konsistentes Nutzererlebnis auf Konsole und PC.

Typische Service Level Agreements (SLAs) umfassen:

  • Disc-Submissions (Konsole): etwa 6 Werktage
  • Digitale Submissions: ca. 5 Werktage auf Konsole, 3 Werktage auf PC
  • Content-Updates: rund 3 Werktage (Konsole) bzw. 1 Werktag (PC), auch in Bypass-Szenarien

Zwischen optionalen Submissions und Final Submissions wird klar unterschieden: Optionale Submissions dienen als kostenpflichtige Vorprüfung gegen die XRs in einer CERT.DEBUG-Sandbox, während Final Submissions in der CERT-Sandbox auf Retail-Hardware laufen und mit einem klassischen Pass/Fail-Report enden.

Cert Bypass

Das Cert-Bypass-Programm entlastet Titel mit sauberer Zertifizierungshistorie bei späteren Content-Updates. Sobald ein Produkt weltweit („Release to World“) verfügbar ist und keine offenen Conditions for Resubmission (CFRs) bestehen, können bestimmte Updates die vollständige XR-Testphase überspringen.

Gleichzeitig verschiebt sich die Verantwortung für Regressionstests stärker zu den Studios: Microsoft empfiehlt explizit Tests auf Retail-Hardware (RETAIL-Sandbox, Package Flights) und führt stichprobenartige Audits durch, u. a. auf Basis von Kennzahlen wie der Crash-per-Launch-Rate. Auffällige Titel können zeitweise aus dem Bypass zurück in einen vollständigen Teststatus fallen.

Versteckte Produkte, Promo-Codes und Datenzugriff über öffentliche Schnittstellen

Mehrere How-To-Guides adressieren Szenarien, in denen Produkte vor Release oder für eingeschränkte Zielgruppen versteckt, aber dennoch test- oder erwerbbar sein sollen.

Für Hidden, token-only“-Produkte beschreibt Microsoft, wie ein Titel im Store nicht auffindbar, aber über Promo-Codes (Tokens/5×5-Codes) einlösbar bleibt. Ein verwandter Leitfaden zu hidden and purchasable“-Konfigurationen beschreibt Produkte, die:

  • nicht in der Storesuche oder automatisch befüllten Kategorien erscheinen,
  • nur über direkte Links (Web-URL/App-URI) auffindbar sind,
  • per Direktlink oder In-Game-Store erworben und per Promo-Code eingelöst werden können.

Mehrere Dokumente weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese Konfigurationen über „web scraping“ oder andere Data-Scraping-Techniken vor dem ersten geplanten Datum entdeckt werden können.

Als Schutzmaßnahmen werden insbesondere genannt:

  • Private Audience: PDP nur für definierte Nutzergruppen sichtbar, inklusive zeitgesteuertem Übergang auf öffentliche Sichtbarkeit.
  • Disable Store Presence: keine PDP, kein Test, keine Token-Einlösung bis zur ersten geplanten Veröffentlichung.

Damit wird klar: Pre-Release-Tests auf Konsole sollten nicht nur aus technischer, sondern auch aus Metadaten- und API-Sicht geplant werden. Sichtbarkeitsoptionen, Audiences und Zeitpläne in „Pricing and availability“ sind integraler Bestandteil einer sicheren Teststrategie.

Accessibility-Tests als externer Service: MGATS

Der Microsoft Gaming Accessibility Testing Service (MGATS) wird als optionaler Testservice für Xbox- und PC-Titel positioniert. Geprüft wird gegen die Xbox Accessibility Guidelines (XAGs), die gemeinsam mit Branchenexperten und der Gaming-&-Disability-Community entwickelt wurden.

Zentrale Eckpunkte des Services:

  • Tests durch Accessibility-Spezialistinnen und Spielerinnen mit unterschiedlichen Behinderungen (Sehen, Hören, Sprache, Mobility, Kognition).
  • Validierung der Accessibility Feature Tags für den Store-Auftritt.
  • Berichte mit Accessibility-Highlights, dokumentierten „Concerns“ (inklusive Repro-Steps, Soll-/Ist-Beschreibung, Screenshots/Videos) und Verweisen auf relevante XAGs.
  • Optionaler Scope „MGATS – Players with Disabilities Focus“, der sich gezielt auf Erfahrungsberichte von Spieler*innen mit Behinderungen in Kern-Szenarien (Golden Path, Navigation, Einstellungen, Kommunikation) konzentriert.

Zur Kostenstruktur heißt es: „The cost of MGATS testing is determined based on the complexity of a game and covers between ~ 150 to 250 hours of testing.“

Tests können früh im Entwicklungsprozess (z. B. auf Basis eines stabilen Vertical Slice) oder post release erfolgen; ein erneuter Validierungslauf nach Anpassungen ist ausdrücklich vorgesehen. Der Service ergänzt die Zertifizierung, ersetzt sie aber nicht. In der Praxis entsteht damit ein ausgelagerter, dokumentierter Accessibility-Testpfad, der interne Teams entlastet.

Produkt-Onboarding, Namensreservierung und dauerhafte Codenamen

Die Seite Product creation and onboarding beschreibt für Managed Creators den Prozess zur Anlage neuer Produkte und das Zusammenspiel mit dem Microsoft-Account-Team, etwa beim Onboarding von Game-, Bundle- und Season-Pass-Produkten.

Sie behandelt u. a.:

  • Auswahl des passenden Produkttyps (Game, Game Demo, Game Bundle, Product Group, Add-ons).
  • Plattformkonfiguration für PC, Xbox One und Xbox Series X|S, inklusive Smart Delivery, Xbox Play Anywhere sowie separater, gebundener oder ungebundener Produkte.
  • Nachträgliches Hinzufügen weiterer Plattformen, die die bestehende Preis- und Markt-Konfiguration erben und nach Veröffentlichung in der RETAIL-Sandbox nicht mehr entfernt werden können.

Reservierung von Produktnamen – der erste Codename als dauerhafter Identifier

Ein eigener Abschnitt widmet sich der Reservierung von Produktnamen:

  • Für Game-Produkte müssen beim Anlegen eindeutige Namen reserviert werden; weitere Namen können später ergänzt werden.
  • Das ermöglicht, zunächst einen Codename in der Entwicklung und nach Bestätigung den finalen Produktnamen zu reservieren.

Entscheidend ist der Hinweis: Die erste Namensreservierung dient als Display-Name im Partner-Center-Dashboard und erscheint in den Identity Details des Produkts, die nach Veröffentlichung in der RETAIL-Sandbox für Spieler sichtbar sein können. Diese Identity Details können später nicht mehr geändert werden.

Faktisch wird damit der zuerst eingetragene Name – häufig ein interner Codename – zu einem dauerhaften Identifier im Xbox-Ökosystem. Selbst wenn Store-Listing und Marketing-Namen später angepasst werden, bleibt der initial reservierte Name in den unveränderlichen Identitätsdaten eines Produkts verankert. Für Namenskonzepte, Codenamen-Strategien und Franchise-Planung ist diese Persistenz ein relevanter Aspekt.

Rabatte, Sales und Preisaktionen im Zusammenspiel mit Microsoft

Die Preis- und Verfügbarkeitsdokumentation beschreibt, wie Basispreise, Märkte, Sichtbarkeit, Zeitpläne und Trials direkt im Partner Center konfiguriert werden.

Für Rabatte und Sales wird klar zwischen regulärer Preisgestaltung und Aktionen unterschieden:

  • Der Basispreis („Base price“) wird im Partner Center als Suggested price gesetzt und in Markt-spezifische Preisstufen umgerechnet; Änderungen und geplante Preiswechsel lassen sich über Zeitpläne steuern.
  • Sale Pricing wird als zeitlich begrenzte Preisaktion definiert, entweder über eine niedrigere Preisstufe oder einen prozentualen Rabatt; optional als Angebot für alle oder als exklusives Angebot für Besitzer anderer Produkte.

Für das operative Geschäft sind zwei Punkte entscheidend:

  1. Rabattszenarien im Reseller-Modell und für Game-Produkte
    • In der Pricing-&-Availability-Dokumentation wird festgehalten, dass Sale Pricing und „Free to use“-Szenarien für Game-Produkte nur von Microsoft konfiguriert werden können.
    • Die Availability-Übersicht ergänzt: Nutzt ein Produkt das Reseller-Modell, kann Sale Pricing ausschließlich durch Microsoft gesetzt werden; nur im Agency-Modell steht die Sale-Preis-Konfiguration direkt im Partner Center zur Verfügung. In jedem Fall soll bei Rabatt- und Sales-Plänen der Austausch mit den Microsoft-Kontakten gesucht werden.
  2. Abstimmung mit Microsoft-Store- und Monetization-Teams
    • Die Post-sale-Monetarisierungsdokumentation empfiehlt ausdrücklich, PSM- und Rabattstrategien frühzeitig mit den Microsoft-Kontakten zu teilen.
    • Genannt werden u. a. die Überprüfung von Angeboten und Release-Cadence durch das Microsoft-Store-Team, Best-Practice-Empfehlungen zu Bundles, Add-ons und virtueller Währung sowie Beratung zu Richtlinien und zusätzlichen Möglichkeiten.

In der Praxis bedeutet dies: Rabatte und Sales im Xbox-Ökosystem sind nicht nur eine technische Konfiguration, sondern werden in der Regel koordiniert mit Microsoft gesteuert, insbesondere für Managed Creators und Produkte im Reseller-Modell.

Einordnung für Indie-Studios und die Branche

Durch die ausgeweitete Dokumentation wird der Publishing-Prozess auf Xbox deutlich transparenter – von der Produktanlage und Namensreservierung über Zertifizierung, Cert Bypass, Sichtbarkeits- und Token-Konfigurationen bis hin zu Preisgestaltung, Sales und Accessibility-Tests.

Die öffentlich zugänglichen Inhalte erlauben gerade kleineren und unabhängigen Studios, frühzeitig abzuschätzen, welche organisatorischen, technischen und rechtlichen Schritte mit einer Teilnahme an einem Xbox-Programm verbunden sind – lange bevor ein NDA-Zugang zu GDK-Details oder kuratierten Programmen besteht. Gleichzeitig können viele der beschriebenen Prozesse, Checklisten und Leitfäden als Referenz für Publishing- und QA-„Goldstandards“ interpretiert werden, unabhängig davon, ob ein Titel am Ende tatsächlich auf Xbox erscheint oder auf anderen Plattformen veröffentlicht wird.

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