Die Erwartungen an die Verfilmung der Games waren groß. Nun läuft die Fallout-Serie endlich an, startet gleich mit einer extrem starken Szene – und liefert auch sonst ab.
Cooper Howard, ein Schauspieler, spielt heute die Rolle eines Cowboys bei einem Kindergeburtstag. Es ist ein fröhlicher Nachmittag, doch dass Unheil dräut, wird schnell klar. Denn Cooper erzählt seiner kleinen Tochter etwas, das er in der Armee gelernt hat.
Die Macher der Serie haben einen anderen Ansatz gewählt als bei der gelungenen Verfilmung von „The Last of Us“. Lisa Joy und Jonathan Nolan entschieden sich dagegen, direkt eines der Spiele zu adaptieren. Stattdessen entwickelten sie eine eigene Geschichte mit eigenen Figuren.
Die Serie beginnt mit dem Ende – dem Ende der Zivilisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Nukleartechnik weit größere Fortschritte als in der Realität gemacht hat. In einer retrofuturistischen Gemeinschaft lebend, entwickelt sich ein Ressourcenkrieg, der zu Beginn der Serie heiß wird.
Nach der Geburtstagsszene und dem Atombombenangriff springt die Serie in die Jahrhunderte entfernte Zukunft und in Vault 33. Die Vaults sind Silos, die errichtet wurden, um der Menschheit das Überleben zu sichern. Als das Silo angegriffen und ihr Vater entführt wird, beschließt Lucy MacLean, es zu verlassen und im Ödland von Los Angeles nach ihm zu suchen.
Ein gefährliches Unterfangen, wenn man nichts über die Welt da draußen weiß: Nicht mal, dass man nachts kein Feuer macht, weil es riesige mutierte Kakerlaken anlockt.
Einzigartiger Look – und Sound!
Schon die ersten Minuten leben vom Retrofeeling – als befände man sich in den 1950er Jahren. Danach kommt der Sprung in die Zukunft, der dieses Gefühl nicht ablegt und doch herrlich konterkariert. Beispielsweise werden im Vault die Probleme der Wiederbevölkerung der Erde so angesprochen, wie es die Apple-Serie „Silo“ nie getan hat.
Die verschiedenen Vaults kooperieren und zwecks der genetischen Vielfalt benötigt man Männer und Frauen anderer Vaults, um nicht im Inzest zu landen. So kommt es zur Vermählung der Hauptfigur Lucy mit einem Mann von Vault 32 – und zu knackiger Action, denn nichts ist, wie es scheint. Die Kämpfe sind drastisch umgesetzt. Das Blut spritzt, aber dennoch wirkt das Ganze nie brutal um des Brutalen willen.
Dabei hilft sicherlich auch die musikalische Untermalung; es werden Songs der 1950er und 1960er Jahre eingesetzt, die man schon lange nicht mehr (oder noch nie) gehört hat. Sie wirken anachronistisch und unterstreichen die merkwürdige Welt der Zukunft des 23. Jahrhunderts.
Keine Endzeit à la Mad Max, aber genauso gut
Es gibt drei Hauptfiguren: die von Ella Purnell (bekannt aus „Yellowjackets“) gespielte Lucy, den für die Brotherhood of Steel als Knappen tätigen Maximus (Aaron Moten) und den Ghoul. Der war einst Cooper Howard, lebt nun seit mehr als 200 Jahren und wird von Walton Goggins („The Shield“) gespielt.
Das Flair der Absurdität
Fallout ist eine ernsthafte Serie. Das muss sie auch sein, denn sie beginnt mit dem Ende der Zivilisation. Sie hat aber auch Dialoge, die einen Hauch von Surrealismus transportieren, und Momente, die am Absurden kratzen. Dies ist nicht die Endzeit à la Mad Max, eher schon erinnert sie an den kleinen Kultfilm „Radioactive Dreams“.
Die Höhe des Budgets gab Prime Video nicht bekannt, Fallout sieht aber teuer aus – und dann auch wieder nicht. Was das heißt? Die Sets sind ausladend und die Außenaufnahmen in der Wüste von Utah, aber auch im afrikanischen Namibia, sehen toll aus.
Manche Kreaturen hingegen weniger. So gibt es eine Szene, in der ein in voller Rüstung agierender T-60 gegen einen mutierten Bären kämpft. Erst könnte man denken, es handele sich bei dem Bären um einen praktischen Effekt, dann ist es CGI, aber völlig überzeugend sieht die Sequenz nie aus.
Unterhaltsam ist sie aber, schon allein, weil der T-60 panisch davonläuft und ständig „Fuck“ ruft, was von der reinen Bewegung her etwas absurd Witziges hat. Unter Umständen wollte man mit dem Bäreneffekt genau diese Wirkung erzielen.
Alle Folgen sofort verfügbar
Die erste Staffel besteht aus acht Folgen. Nolan, der zusammen mit Joy „Westworld“ entwickelt hat, hat auch die ersten drei Folgen inszeniert. Showrunner wurden jedoch Geneva Robertson-Dworet und Graham Wagner, die auch das Skript zur ersten, mit 70 Minuten Laufzeit fast schon filmlangen Episode geschrieben haben.
Prime Video zeigt die acht Folgen übrigens nicht – wie oft bei dem Streamer üblich – Woche für Woche, sondern gleich alle auf einmal. In dem Sinne: Happy Binging!